Zweifelhafte (Gemüse-)Chips

Wieso ausgerechnet Chips bei „Aufgegabelt“?

Wenn ich als Ernährungswissenschaftlerin auf meinem hauseigenen Blog ausgerechnet über Chips schreibe, dann muss das schon einen besonders knackig-knusprigen Grund haben.

Den gibt es auch! Es ist nicht das unerwartete Revival des guten, alten Grünkohls (neudeutsch: “kale“), der als hippes und vitaminreiches "Superfood" nicht nur als Smoothie und Salat, sondern jetzt auch in frittiert in Form von Chips angeboten wird. Es sind eher die zu Dutzenden aufgetauchten Varietäten der sogenannten Gemüsechips, die seit einiger Zeit in edel anmutenden Verpackungen in allen Läden, von Discounter bis Delikatess-Feinkostladen, angepriesen werden und im Gegensatz zu Billigchips und Erdnussflips zumindest einen Hauch von gesundheitsfördernder Wirkung anzupreisen scheinen. Werden doch diese Chips nicht aus blassen, ordinären Knollen hergestellt, sondern aus trendigen (Wurzel-)Gemüsen wie Karotte, Rote Beete, Pastinake oder Süsskartoffel produziert und bereichern das Apéro-Buffet oder die abendliche TV-Bowl obendrein um appetitlich-satte Farbtöne.    

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Fett, salzig, und obendrein schadstoffbeladen

Gründlich aufgeräumt mit dem vermeintlich gesunden Snack-Food hat unlängst in Deutschland die Stiftung Warentest und insgesamt 15 Produkte unter die Lupe genommen. Was als Ergebnis nicht weiter verwundert: Gemüsechips sind ebenso fetthaltig, meist genauso salzig und - wen wundert`s - bieten als Alternative zur Kartoffelkonkurrenz daher keine gesundheitsfördernden Vorteile. Um auf die fünf empfohlenen Portionen Obst oder Gemüse am Tag zu kommen, sind sie also definitiv ungeeignet - auch wenn uns manche Verpackungen etwas anderes suggerieren.

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Kritische Stoffe verderben uns den Knusperspass

Aber es geht noch weiter: zusätzlich enthalten einige Sorten der Gemüsechips ausser deutlich mehr Zucker (wer rechnet in Chips mit Zucker?)  auch kritische Stoffe wie Acrylamid oder Nitrit. Der Zucker stammt vor allem aus den Rohprodukten, wie beispielsweise den Süsskartoffeln. Acrylamid entsteht beim Frittiervorgang in der Maillard-Reaktion, z.B. wenn es der Stärke dabei zu heiss wird . Gefördert wird die Acrylamidbildung obendrein durch verschiedene Zucker. Was das Nitrit betrifft, so stammt diesen aus Gemüsen wie den roten Beeten (Randen) und kann unter ungünstigen Umständen zusammen mit bestimmten Eiweissbestandteilen Nitrosamine bilden, die als krebserzeugend gelten. Das gleiche gilt auch für Acrylamid, welches als „wahrscheinlich krebserzeugend“ eingestuft wird. Aber es ist eben auch so, dass ohne diese Maillard-Reaktion die heissgeliebten Chips nicht so schmecken würden, wie wir sie kennen, da die braunen, geschmacksintensiven Endprodukte dieser chemischen Reaktion eben auch für das typische Aroma verantwortlich sind.    

Knusper, knusper, knäuschen, wer knuspert......

Egal ob aus Kartoffeln oder Gemüse gemacht, für beide Sorten gilt: ist die Tüte erst mal offen, gibt es oft kein Halten mehr, wir können einfach nicht aufhören.

Einen Erklärungsversuch für dieses ungezügelte Verhalten liefert der wissenschaftliche Ansatz der "hedonischen Hyperphagie", bei der wir immer noch weiter essen, obwohl wir eigentlich schon lange satt sind. Laut einer Studie mit Experimenten an Ratten animieren uns zu diesem unkontrollierten Verzehr offenbar besonders Lebensmittel mit einem Anteil von 50 % Kohlenhydraten und 35 % Fett, so wie wir es bei Chips aller Sorten vorfinden. Diese 50:30-Kombination findet sich übrigens auch in den anderen, üblichen verdächtigen Produkten wie Schokolade, Nuss-Nougat-Aufstrichen oder Erdnussflips wieder und wird als „Naschformel“ bezeichnet.

Zusätzlich treibt uns beim Griff in die Chipstüte auch noch der Knusprizitäts-Faktor: Chips knuspern beim Essen, und das mag unser Gehirn besonders gern, weil es Frische suggeriert – ein Widerspruch?

Chips enthalten Salz und Fett - und die machen uns glücklich!

Schon seit grauer Vorzeit sind wir darauf getrimmt zuzuschlagen, wenn wir irgendwo Salz finden und es quasi „auf Vorrat“ zu konsumieren, denn früher kamen die Menschen nur schwer an Salz heran. Den Biomechanismus, der die Suche nach Salz belohnt hat ein anderes Forscherteam in einem Experiment mit Mäusen erforscht. Eine Salzgabe machte die Tiere empfänglich für das Glückshormon Dopamin und führte dann auch zur Ausschüttung des Hormons bei den Mäusen - es machte sie glücklich! Der Erklärungsansatz lautet: unser Gehirn hat im Laufe der Evolution ein Belohnungssystem entwickelt und schüttet ein Glückshormon (hier: Dopamin) aus, und möchte uns so dazu bringen, dass wir weiterhin Salz zu uns nehmen.

 

Ähnliches ist beim Fett zu beobachten: offenbar genügt schon allein der Geschmack von Fett im Mund, um die Produktion von Endocannabinoiden anzuregen. Als Endocannabinoide werden körpereigene Stoffe bezeichnet, die dem Cannabis in ihrer chemischen Struktur ähnlich sind. Die Folge: Sobald wir fettige Chips im Mund haben, suggeriert uns unser Körper, noch viel mehr davon zu benötigen und wir greifen weiter zu. Die gute Nachricht: auch wenn Salz und Fett einen ähnlichen Effekt auf unser Gehirn haben, wie z.B. Cannabis, entstehen dort aber offenbar keine körperlichen Abhängigkeiten.    

Chips sind nicht gesund! -Egal woraus und wie produziert...

Manchmal wäre es halt schön, wenn Lebensmittel die uns munden, ein bisschen gesünder wären. Leider hilft da aber auch die jüngste Entwicklung auf dem Schweizer Kartoffelchips-Markt nicht weiter. Der Schweizer Hersteller Pomy-Chips AG hat unlängst seine Produktion auf Schweizer HOLL-Rapsöl umgestellt. Die HOLL-Rapssorte wurde eigens seit 2003 dafür entwickelt, um ein hitzestabiles (Raps-) Öl zu haben, welches sich zum Braten und Frittieren eignet. „HOLL“ steht dabei für „High Oleic Low Linolenic“ - das heisst, HOLL-Rapsöl hat einen hohen Anteil an Ölsäure - eine einfach ungesättigte und deshalb gesunde, erhitzbare Fettsäure - und einen geringeren Anteil an Linolensäure.

Um den Faktor „regional“ noch ein bisschen zu unterstreichen, kommt das Salz der Zweifel-Chips künftig von einer Saline aus dem Waadtland, statt aus dem fernen Ozean. Gesünder sind sie deswegen nicht - aber vielleicht besser zu vermarkten?   

Foto: pixabay

Lust auf Chips? Bitte dran denken....

Mit so viel Hintergrundwissen im Kopf, scheint uns der regelmässige Griff in die Chipstüte vielleicht in Zukunft ein bisschen weniger verlockend. Wer ganz sicher gehen möchte, der fängt am besten gar nicht erst an mit dem verführerischen 50:35 - Knabberzeug - egal ob aus Gemüse oder Kartoffeln. Und um nochmals auf den Grünkohl zu kommen: die hippen Chips kann man ganz einfach auch selber machen, aus trendigen Gemüsesorten ebenfalls - und den Fett- und Salzgehalt selber bestimmen. Wetten, dass die gut schmecken und wir ganz von alleine weniger davon essen?

 

Hier noch ein Rezept dazu:    

Foto: Kate Kosaya, www.vegetariantimes.com

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